Fehl-Entwicklung bei ETFs
Erfinder des passiven Investierens kritisiert die ETF-Branche
In diesem Artikel analysieren wir die Hintergründe des ETF-Booms, der 2003 begann und bis heute (2023) ungebrochen anhält. Wie von fynup gewohnt, beleuchten wir die Entwicklung auch mit einem kritischen Auge. Aber der Reihe nach und vorweg: Wir lieben all die Vorteile von ETFs, vor allem die Transparenz und die geringen Kosten.
John Bogle, Gründer und CEO von Vanguard gilt als Erfinder der Indexfonds und ist neben Warren Buffett unser großes Vorbild. Auch unser Ziel ist es, dir Geldanlage mit geringsten Kosten und höchster Qualität zu ermöglichen und dir Tools für selbstbestimmte und selbstbewusste Entscheidungen zu geben.
„John hat mehr für die Gesamtheit amerikanischer Investoren getan als jeder andere, den ich kenne“, sagte Starinvestor Warren Buffett über den ETF-Erfinder. (Handelsblatt 18.01.2019)
Webinar-Aufzeichnung
Den Inhalt dieses Artikels gibt es auch ausführlich erklärt in Videoform: Du kannst die Aufzeichnung des Webinars vom 24. Oktober 2023 um 29 Euro nachsehen.
Kurzgeschichte
1928: Den ältesten Fonds, der heute noch aktiv ist, legte die US Gesellschaft Pioneer Investments im Jahr 1928 auf. Pioneer wurde 2017 von Amundi übernommen, der Fonds heißt nun Amundi Pioneer Fund. In Deutschland wurde mit dem Fondak der erste Fonds erst 1950 aufgelegt.
1976: John Bogle, Gründer und CEO von Vanguard, gilt mit seiner in den 1950er Jahren verfassten Diplomarbeit als Erfinder des passiven Investierens. 1971 entwickelte die US Bank Wells Fargo den ersten Indexfonds für institutionelle Anleger, 1976 brachte Vanguard den ersten Indexfonds für Privatanleger auf den Markt.
1990: Der erste ETF wurde 1990 in Kanada aufgelegt, in Europa startete der erste ETF im Jahr 2000. ETFs sind demnach die jüngere Variante der passiven Fonds.
Entwicklung und Prognose: 2024 50 % ETF-Anteil
Diese Grafik zeigt die rasante Entwicklung passiver Fonds (Indexfonds, ETFs - rote Linie) im Verhältnis zu aktiven (Grün). Als diese Grafik 2016 erstellt wurde, rechnete man damit, dass das Volumen passiver Fonds 2024 gleich hoch sein wird, wie das der Aktiven.
ETF-Anteil lag bereits 2020 bei 50 %
Diese Grafik zeigt die in USA domestizierten Fonds. Rechnet man die in den USA nicht domestizierten Fonds hinzu (Volumen in Mrd. USD: ETF: 1.670, Aktive: 2.357; ETF-Quote: 41,5 %) errechnet sich 2020 eine Gesamtquote passiver Fonds (ETF) von 50,65 % (Volumen in Mrd. USD: ETF: 7.913; Aktive: 7.709).
Verwaltetes Volumen in ETF weltweit
- 2003 betrug das weltweit in ETFs verwaltete Vermögen 200 Mrd. USD (0,2 Bio.).
- 2023 betrug dieses Volumen 9.600 Mrd. USD (9,6 Bio. USD).
- Das ist eine Steigerung in 20 Jahren um über 4.800 % (48 mal größer).
Warum passive Fonds so an Bedeutung gewinnen
Diese Grafik zeigt die Anzahl der Fonds, in Dunkelgrün Indexfonds (ETFs), in Hellgrün aktive Fonds. Diese Grafik hat zwei bedeutende Aussagen:
- Vorteil: Der Großteil der passiven Fonds liegt sehr nahe am selbst gesteckten Ziel (Benchmark), die meisten liegen im Bereich 0 bis -1 %, wenige im Bereich -1 bis - 2 % bzw. 0 bis 1 %. Auch wenn die Kosten bei ETFs nur meist 0,2 % betragen, sind diese dafür verantwortlich, dass die meisten knapp unter der Benchmark liegen. Diejenigen die darüber oder weiter darunter liegen, arbeiten mit Faktoren, die mal für mehr, mal für weniger Rendite sorgen.
- Kritik: Die Anzahl passiver Fonds ist deutlich geringer als die der Aktiven. Das bedeutet gleichzeitig, dass das Volumen in den passiven Fonds deutlich größer ist als bei Aktiven und die Marktmacht großer Passiv-Anbieter sehr groß ist. John Bogle sagte 2018, dass 90 % aller S&P 500 Firmen von nur 3 Investmenthäusern (Blackrock, Vanguard und State Street) gehalten werden.
Kritik von John Bogle 2018
Die Kreation ständig neuer, vermeintlich „intelligenter” Indizes als Basis für ETF Produkte ist eine Pervertierung des passiven Investierens. Sie sind ein Mittel dazu, „Index-Investments ins aktive Management zu führen” – mit allen damit einhergehenden Problemen, wie erhöhten Transaktionskosten und Timing-Problemen. Die Papiere werden laut Bogle oft viel zu kurzfristig gehalten und gehen in viel zu enge Nischen. „Ich kann nicht glauben, dass das eine solide langfristige Strategie darstellt. Viele dieser Nischen-Player werden wieder vom Markt verschwinden”, so der Vanguard-Gründer. Er unterscheidet vor diesem Hintergrund zwischen ETFs und sogenannten TIFs – Traditional Index Funds, die den ursprünglichen Ideen des passiven Investierens folgen, also langfristig orientiert sind und sich nicht in jeden neu erfunden Nischenmarkt stürzen.
Smart-Beta-ETFs: Traditionelle TIFs haben von 2005 bis 2017 einen jährlichen Ertrag von 8,4 Prozent erwirtschaftet. Aktiv gemanagte Fonds kämen demnach auf 7,2 per anno, und die „cleveren“ ETFs jedoch nur auf 5,5 Prozent.
Marktmacht: Addiert man die über die gesamte ETF-Flotte gehaltenen Aktienanteile von Vanguard, Blackrock und State Street zusammen, so sind sie bei knapp 90 Prozent aller S&P 500-Firmen die größten Anteilshalter. Das Problem: Diese passiven Investoren sind bislang auch auf den Hauptversammlungen passiv. Das heißt: Selbst schlechtes Unternehmensmanagement wird auf den HVs nicht kritisiert, auch gibt es bei Abstimmungen keine Gegenstimmen durch die ETF-Giganten. „Engagement, Engagement“, fordert der Vanguard-Gründer deshalb von institutionellen Investoren und passiven Marktteilnehmern. „Ich habe mich bereits 2001 dafür ausgesprochen, dass diese Investoren auf HVs aktiver agieren müssen. Wenn ich als aktiver Investor vom Management enttäuscht bin, verkaufe ich die Aktien. Ein passiver Investor kann das nicht. Also muss dieser einen anderen Pfad einschlagen. Und der lautet: Wenn Dir das Management nicht gefällt, ändere das Management.“
Bis 70 % Marktanteil kein Problem: Wie also sieht John „Jack“ Bogle die Zukunft des passiven Managements? Gibt es da nicht bereits eine massive Übertreibung? Immerhin stehen alleine in den USA rund 5.000 Indizes nur 3.485 Einzeltitel gegenüber. Bogle sieht da jedoch kein Problem. Er geht davon aus, dass der Markt einen 70-prozentigen Marktanteil an passiven Investoren ohne Probleme aushält – vorausgesetzt es handelt sich um echte, passive Strategien, wie er sie in den von ihm definierten TIFs sieht.
Kritik: Diversifikation geringer als angenommen
Nach dem Herfindahl-Index (Hirschmann-Index: Kennzahl zur Konzentrationsmessung) ist die Streuung in den ETFs nicht so breit wie angenommen:
- MSCI ACWI: Summe der Aktien: 1.700; Effektive Aktienanzahl 100*, Top 10: 18,76 %
- FTSE-All-World Index: Summe der Aktien: 4.000; Eff. Aktienanz. 180*, Top 10: 18,3 %
*Quelle: Börse-Express
Diese Erkenntnis ist vor allem deshalb wichtig, da Investor*innen sich mit einer breiten Streuung nicht zu sehr in Sicherheit wiegen sollten. Seit 2009 sehen wir nur kleine Unterbrechungen von im Schnitt stark steigenden Aktienkursen, viele Investor*innen ordnen die stabile Rendite-Entwicklung oft den ETFs zu. Diese Annahme ist trügerisch, weil es nicht die ETFs sind, sondern die Kurse aus den gewichteten Unternehmen, welche für die Kursentwicklung sorgen. Das heißt, dass es auch bei ETFs zu denselben Kursverlusten kommen kann, wie bei aktiv gemanagten Fonds. Darauf sollten ETF Investoren vorbereitet sein. Investieren in ETFs bedeutet nicht weniger Risiko, die Vorteile liegen bei den Kosten und der Transparenz.
Kritik: Immer mehr „Passive“ werden „aktiv“
Der Grundgedanke des passiven Investierens orientiert sich an der Marktkapitalisierung aller Unternehmen weltweit. Der bekannteste Index für ein Weltportfolio ist der MSCI ACWI (All Country World Index). JEDE Abweichung davon ist bereits ein aktiver Eingriff, je größer die Eingriffe, desto näher kommt man aktiven Fonds.
Faktor Regionen: Der gängigste Eingriff ist der nach Regionen. Finfluencer reden gerne vom 80:20 oder 70:30 Portfolio, gemeint ist damit die Verteilung der Industriestaaten (im Wesentlichen Nordamerika, Europa, Japan, Australien) zu Entwicklungsregionen (Asien, Südamerika, Afrika, etc.). Eine Abweichung kann durchaus sinnvoll sein, man muss sich jedoch bewusst sein, dass man vom passiven Investment aktiv abweicht, da das Verhältnis des MSCI ACWI Index 2023 bei ca. 87:13 liegt.
Faktor Gewichtung: Wie bereits beschrieben, orientiert sich passives Investieren an der Marktkapitalisierung. Auch von diesem Grundsatz weichen mittlerweile einige ab, der prominenteste davon ist vermutlich Gerd Kommer, der mit seinem Buch „Souverän Investieren mit ETFs und Indexfonds“ bekannt wurde. Der Gerd Kommer ETF orientiert sich zu 50% an der Marktkapitalisierung und zu 50 % am BIP (Bruttoinlandsprodukt). In der fynup-Analyse erkennst du sofort die Abweichungen. Hinweis: Die Fonds-Qualität kann aufgrund der kurzen Laufzeit (Start Juni 2023) noch nicht bewertet werden.
Es gibt viele weitere Faktoren, die bestimmt werden können, wie z.B. Faktor Small Caps/Size, Faktor Value, Faktor Momentum, Faktor Qualität, Faktor Niedrige Volatilität, Faktor Politik, Faktor Nachhaltigkeit, etc.
Fazit: JEDE Abweichung, jeder „Faktor“ bedeutet einen aktiven Eingriff und kommt damit aktiven Fonds näher. Das gilt auch hinsichtlich der Kosten. Es gibt bereits viele ETFs mit 0,5 % und mehr Kosten. Vor allem auch die Transaktionskosten beachten! Damit kommt man aktiven Clean-Shares schon sehr nahe.
Clean-Shares sind günstig und können den Index schlagen
- Laufzeit 14 Jahre
- Keine lfd. Zahlung
- € 25.000,00 Einmalzahlung
- Blau: Aktiv gemanagter Fonds in der Clean-Share-Klasse, laufende Fondskosten 0,81 %, Amundi Fds.Pioneer U.S.Fu.Gr.I2 EUR (LU1883855246)
- Rot: Passiver Indexfonds (ETF), laufende Kosten 0,1 %, Vanguard U.S. 500 Stock Index Fund EUR (IE0032126645)
Der hier gezeigte Pioneer Fund ist der älteste, heute noch aktive Fonds (siehe Kurzgeschichte oben). Normalerweise können Kleinanleger diesen Fonds nur in der Retail-Tranche mit 1,8 % Kosten kaufen (oder gar mit 2,8 %). Die Clean-Share-Tranche steht Investoren gewöhnlich erst ab 5 Mio. Euro zur Verfügung.
In Fondspolizzen kannst du jedoch diese Clean-Share-Tranche bereits ab 100 Euro monatlich oder 10.000 Euro einmalig kaufen. Mit Clean-Shares hast du ähnlich günstige Kosten wie bei Faktoren-ETFs, jedoch mit einem Management mit längerer Historie, welches nach wissenschaftlichen Methoden mit dem fynup-ratio bewertet werden kann.
Achte auf die Kosten-Steuer-Effizienz
Um zu zeigen, wie wichtig geringe Kosten und Steuern bei der Geldanlage sind und welche Möglichkeiten sich damit für eine eventuelle Vermögens-Übergabe eröffnen, reisen wir 35 Jahre in die Vergangenheit und nehmen folgendes an:
- Zu Beginn der Grafik wäre unser Kunde 50 Jahre gewesen,
- Er hätte € 100.000 in einen globalen Aktienfonds investiert und
- nach 15 Jahren (zum 65. Lj.) monatlich € 3.000 entnommen.
In der Genussphase trennt sich die Spreu vom Weizen
- Laufzeit 35 Jahre
- Keine lfd. Zahlung
- € 100.000,00 Einmalzahlung
- Entnahme: € 2.500 monatlich ab 16. Jahr
Die Gewinn-Verlust-Grafik zeigt 3 x den selben Fonds in unterschiedlichen Hüllen:
- Blau eine provisionsfreie Fondspolizze (Nettopolizze): Die Entnahmen der letzten 20 Jahre (€ 2.500 monatlich, in Summe € 600.000) wurden durch Gewinne kompensiert, das Kapital blieb erhalten.
- Gelb eine Fondspolizze mit üblicher Provision: Das Kapital hat sich durch die Entnahmen ständig reduziert. Der Unterschied zu blau ergibt sich einzig durch höhere Kosten. Sowohl Fonds als auch die Steuer sind gleich.
- Rot ein Online-Bankdepot: Das Vermögen war nach ca. 9 Jahren aufgebraucht. Hier wirken sich höhere Kosten des Fonds (Bei Online-Banken erhält die Bank Provisionen, sogenannte Kick-Backs aus dem Fonds) und die KESt besonders negativ aus, die bei Entnahmen voll zum Tragen kommt.
Diese Berechnung zeigt 3 Aspekte deutlich:
- Vorsorge ist eine Frage der Kosten-Steuer-Effizienz. Deutlich mehr Ertrag bei gleichem Risiko.
- Langfristig spielen Kurschwankungen eine untergeordnete Rolle, es zählt die durchschnittliche Rendite.
- In Vergleichsrechnungen haben die meisten nur die Spar-Phase im Blick. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die gesamte Investitions-Phase, die Spar- UND Genuss-Phase, zu berechnen ist.