Mr. Market und der wahre Wert von Aktien
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Der Unterschied zwischen Preis und Wert
Benjamin Graham gilt als der „Vater der fundamentalen Wertpapieranalyse“ indem er mit Hilfe mehrerer Kennzahlen den Substanzwert (inneren Wert) eines Unternehmens bestimmt, und damit aufzeigt, dass die Rendite einer Aktie das Miteigentum an einem realen Unternehmen ist, dessen Wert nicht vom Kurs der Aktie abhängig ist.
In seinem Bestseller Intelligent Investieren gab er den Schwankungen an der Börse ein Gesicht und kreierte „Mr. Market“, eine Personalisierung des Aktienmarktes um dieses Prinzip zu beschreiben. Mr. Market ist ein manisch-depressiver Mensch, der jeden Tag Aktien zum Kauf und zum Verkauf anbietet. Die Kauf- und Verkaufskurse von Mr. Market beruhen häufig nicht auf rationalen Überlegungen, sondern sind von Emotionen, wie Angst und Gier, getrieben. Letztendlich kommt er zu folgendem Schluss:
„Kurzfristig ist der Markt eine Abstimmungs-Maschine, aber langfristig ist er eine Wertermittlungs-Maschine“ – Benjamin Graham.
Benjamin Graham lebte von 1894 bis 1976, sein Buch Intelligent Investieren ist bereits 1949 erschienen, gilt aber noch heute als das Standardwerk für wertorientiertes Investieren. Warren Buffett hat die Lehren von Benjamin Graham übernommen und wurde damit einer der erfolgreichsten Investoren und Unternehmer unserer Zeit.
Herrchen-Hund-Vergleich von André Kostolany
„Der Wert eines Unternehmens und dessen Preis an der Börse ist vergleichbar mit einem Herrchen, der mit seinem Hund Gassi geht: Das Herrchen (Wert) geht mit seinem Hund (Preis) gemeinsam aus der Tür. Während das Herrchen (Wert) relativ gleichmäßig geht, rennt der Hund (Preis) einmal weit voraus, dann ist er wieder weit zurück. Am Ende gehen wieder beide gemeinsam in die Wohnungstür.“ – André Kostolany
Mit diesem Gleichnis bringt André Kostolany die Aussagen von Graham und Buffett auf den Punkt: Der Preis eines Unternehmens, welcher an der Börse tagtäglich gehandelt wird, entspricht meistens nicht dem tatsächlichen Wert des Unternehmens. Der Preis an der Börse pendelt aber um den tatsächlichen Wert herum und kommt zu diesem immer wieder zurück.
John Bogle, der Erfinder der Indexfonds (ETFs) und Gründer von Vanguard, dem zweitgrößten Vermögensverwalter der Welt, teilt ebenfalls die Lehren von Graham und Buffett. In seinem Buch „Das kleine Handbuch des vernünftigen Investierens“ beschreibt er unter anderem die Zusammenhänge von Preis und Wert der 500 größten amerikanischen Unternehmen (S&P 500) zwischen 1900 und 2016:
Die Gewinne der Unternehmen (innerer Wert) und der Preis an der Börse verlaufen langfristig relativ gleichmäßig. Die Renditen der Unternehmen (Wert) weichen von den Preisen der Börse nach 116 Jahren im Jahr 2016 lediglich um 0,5 % pro Jahr ab: Unternehmensgewinne sind um 9 % p.a. gestiegen, die Preise an der Börse um 9,5 %.
An dieser Stelle möchte ich diese drei Bücher empfehlen:
- Intelligent Investieren Benjamin Graham
- Essays von Warren Buffett über Warren Buffett
- Das kleine Handbuch des vernünftigen Investierens John Bogle
Aktienkurs der letzten 50 Jahre
- Laufzeit 50 Jahre
- Keine lfd. Zahlung
- € 15.000,00 Einmalzahlung
- 11,48% Ø Marktrendite bis 30.09.2024
Globaler Aktienfonds in einer provisionsfreien Fondspolizze nach Abzug aller Kosten
Bei globalen Aktienfonds waren die Gewinne langfristig immer sehr hoch. Aber auch die Wertschwankungen waren sehr hoch, das schreckt viele ab, in Aktien zu investieren. Bei der Investition in Aktienfonds solltest du dir immer vor Augen halten:
- Mit Aktien erwirbst du Miteigentum an Unternehmen mit realen Gewinnen.
- Die Preise an der Börse schwanken stärker, als der tatsächliche (innere) Wert.
Wertschwankungs-Risiko ist eine Frage der Zeit
In den letzten 50 Jahren haben Aktieninvestoren noch nie einen Verlust erlitten, wenn sie länger als 15 Jahre durchgehalten haben (MSCI World, vor Abzug von Kosten). Die rote Linie zeigt die minimale Rendite in verschiedenen Zeiträumen. Ab 15 Jahren ist das schlechteste Ergebnis mit 1,5 % bereits positiv. Bei 25 Jahren liegt die minimale Rendite schon bei 5 %. Durchschnittlich lag die Rendite immer über 8 % pro Jahr (Blau). Zeit spielt daher eine entscheidende Rolle für die Auswahl der Anlageklasse!
Ein Sparplan reduziert das Einstiegsrisiko
Wenn du mit einem Sparplan investierst, gleichen sich die Einkaufspreise mit dem Durchschnittskosteneffekt (Cost-Average-Effect) noch besser aus. Berücksichtige, dass günstige Preise (fallende Aktienkurse) gut für dich sind, solange du Käufer bist. Mit einem Sparplan bist du zunächst über lange Zeit Käufer, es ist also gut, wenn die Preise fallen. Es ist vergleichbar mit Sonderangeboten im Supermarkt: Werden gute Waren mit 50 % Rabatt angeboten, ist es ein guter Zeitpunkt zu kaufen.
Einmalig investieren mit Strategie
Wenn du mit einem einmaligen Betrag investierst, solltest du mit einer Strategie vorgehen um das Einstiegsrisiko zu reduzieren.
Rechne mit der Genussphase
Die Investitions-Zeit besteht meist aus 2 Phasen: Der Spar-Phase UND der Genuss-Phase. Das gilt natürlich nur, wenn du das Ersparte nicht auf einen Schlag ausgibst, sondern über einen längeren Zeitraum. Damit reduzierst du das Wertschwankungsrisiko enorm, da zum einen der Zeitraum verlängert wird und zum zweiten das Risiko schlechter Kurse (Preis) beim Verkauf komplett wegfällt.
Auf die Frage: „Was, wenn die Aktienkurse im Keller sind, wenn ich Geld benötige?“ antworten wir: „Wenn du nicht das gesamte Ersparte auf einmal ausgibst, sondern über einen langen Zeitraum, brauchst du keine Angst vor dem Zahltag zu haben. Die meisten sparen um später über einen langen Zeitraum mehr Geld zur Verfügung zu haben.“
Kümmere dich nicht um Kurse
Mit der Kombination Sparplan und regelmäßige Entnahmen in der Genuss-Phase ist nur mehr die durchschnittliche Rendite entscheidend, Wertschwankungen spielen eine untergeordnete Rolle. So nutzt du hohe Rendite-Chancen mit geringem Risiko.
Trügerische Sicherheit geringer Wertschwankung
Falls du trotz allem die Meinung vertreten solltest, dass auch für deine langfristigen Ziele (z.B. Altersvorsorge inkl. langer Genussphase) ein Investment in Aktien ein zu hohes Risiko für dich sind, empfehle ich den nächsten Abschnitt zu lesen.
Dabei wird das Risiko von Aktien nicht verniedlicht, sondern lediglich sensibilisiert, dass es auch bei scheinbar „risikolosen Geldanlagen“ bis zum Totalverlust kommen kann und Risiko durch Streuung reduziert werden kann.
Trügerische Sicherheit am Beispiel Immobilienfonds
- Laufzeit 30 Jahre
- Keine lfd. Zahlung
- € 15.000,00 Einmalzahlung
- 2,31% Ø Marktrendite bis 30.09.2024
Der Chart zeigt in Rot den Verlauf des Immobilienfonds CS Euroreal. Der Fonds entwickelte sich bis zur Finanzkrise 2008 sehr stabil und erzielte seit Auflegung 1993 jährliche Renditen zwischen 3,5 % und 8 % pro Jahr. Obwohl auch während der Finanzkrise der Ausblick positiv war, verkauften mehr Investor*innen als üblich.
Da der Fonds die benötigten liquiden Mittel nicht aufbringen und Immobilien zu dieser Zeit nicht ausreichend verkaufen konnte, musste der Verkauf der Fondsanteile ausgesetzt werden. Vier Jahre lang wurde erfolglos versucht, Angebot und Nachfrage wieder in Einklang zu bringen, mit 31.05.2012 wurde der Fonds aufgelöst. Seither werden Immobilien Stück für Stück verkauft und die Einnahmen an Anleger*innen ausgezahlt.
Obwohl Immobilien 2012 bis 2022 stark gestiegen sind, haben Anleger*innen dieses Immobilienfonds hohe Verluste hinnehmen müssen. Die scheinbare Sicherheit ohne Wertschwankung zwischen 1993 und 2008 war wertlos.
Aktuell (Nov. 2023) könnte sich diese Geschichte wiederholen: Am 24.10.2023 teilte der österreichische Immobilienfonds LLB Semper Real Estate mit, dass bis auf weiteres keine Anteile mehr zurückgenommen werden ...
Das Gummiband-Holzstock-Experiment
Binde ein Gummiband an einem Ende irgendwo fest und ziehe es mit einer Hand stramm. Drücke mit der zweiten Hand auf das Gummiband. Was passiert? Ein leichter Druck genügt und du drückst das Gummiband nach unten. Je stärker du drückst, desto weiter geht es nach unten. Lässt du den Druck wieder nach, geht's wieder nach oben.
Nimm nun einen Holzstock, lege ihn mit einem Ende auf eine Fläche (z.B. Tischkante), halte ihn mit einer Hand fest und drücke wieder mit der zweiten Hand auf die Stockmitte. Was passiert? Bei einem leichten Druck bleibt der Stock stabil. Die Stärke des Stocks im Verhältnis zur Stärke deines Drucks entscheidet, WANN der Stock bricht.
Was hat das alles mit Wertschwankung zu tun?
- Das Gummiband ist wie der Aktienkurs*: Der leichteste Druck, sei es nur eine schlechte Prognose ohne unmittelbarer Auswirkung, reicht aus, um Druck auf die Aktienkurse zu erzeugen. Aktienkurse sind enorm sensibel, das Verhalten der Markteilnehmer manisch depressiv (Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt), wie es Benjamin Graham in seinem Buch Intelligent Investieren beschrieben hat. Das Schöne dabei: Dreht die Stimmung ins Positive, lässt der Druck nach, das Gummiband kommt wieder auf seine ursprüngliche Position zurück.
- Der Holzstock ist wie eine „sichere“ Geldanlage ohne oder mit geringen Wertschwankungen: Diese Anlageklassen halten scheinbar jedem Druck stand - und das gibt scheinbare Sicherheit. Wenn der Druck jedoch eines Tages zu stark wird, bricht diese Anlageklasse ohne Chance auf Erholung. Der Stock ist gebrochen.
- Fazit: Die Wertschwankung kann auch als flexibles Element gesehen werden, ähnlich einem Hochhaus, welches schwankt, damit es Stürmen und Erdbeben standhält. Stabilität, wie bei Geldwerten oder häufig auch bei Immobilienfonds, können eine trügerische Sicherheit vermitteln. Die Finanzkrise 2008 hat bereits gezeigt, was passiert, wenn der Druck zu groß wird. Wertschwankung ist kurzfristig unangenehm, kann aber langfristig Sicherheit bedeuten.
*Damit ist ein globaler Aktienfonds wie z.B. der MSCI World gemeint, der die Kursentwicklung von rund 1.500 Aktien aus 23 Industrieländern abbildet.
Könnte „der Stock“ auch bei anderen Anlageklassen brechen?
Wie das Beispiel Immobilienfonds zeigt, können auch scheinbar sichere Anlagen „brechen“, wenn ein großer Verkaufsdruck entsteht. Bei Immobilien erhalten Anteilsinhaber*innen zumindest Verkaufserlöse, da Sachwerte immer einen bestimmten realen Wert haben. Das ist bei Geldwerten (Konto, Sparbuch, Anleihen) anders.
Bei Geldmarktpapieren (Sparbuch, Konto, ...) könnte ein plötzlicher, starker Verkaufsdruck (Bank run) zum Systembruch führen. Da den Forderungen keine realen Sachwerte entgegenstehen, könnte es sogar zum Totalverlust kommen. Dieses Szenario erscheint aktuell unwahrscheinlich, weil dieser „Holzstock“ sehr stark zu sein scheint.
Raimund Brichta beschreibt in seinem Buch „Die Wahrheit über Geld” sehr ausführlich, wie knapp das Geldsystem im Zuge der Finanzkrise 2008 vor einem Zusammenbruch gestanden ist. Um Vertrauen zu sichern und damit Druck (auf den Holzstock) zu nehmen, wurde die Einlagensicherung von vormals € 20.000 auf € 100.000 erhöht.
Wir wissen, dass mit dieser Maßnahme Verluste verhindert werden konnten. Jedoch bleibt die Frage zu welchem Preis? Weltweit wurden die Notenpressen angeworfen, selbst auferlegte Regeln für ein stabiles Geldsystem gebrochen. Viele Experten sehen den Inflationsanstieg auf bis zu 10 % ab 2022 als eine Auswirkung dieser Maßnahmen.
Die Geschichte hat bereits oft gezeigt, was mit scheinbar sicheren Geldwerten passieren kann: Hyperinflation, wie z.B. in Deutschland und Österreich zwischen 1919 - 1924 oder Währungsreformen, zuletzt 1947. Bei solchen Verwerfungen sind alle Geldwerte, auch alle Arten von Anleihen, betroffen.
An dieser Stelle wollen wir nicht tiefer in diese Thematik eintauchen, sondern lediglich sensibilisieren, dass auch bei Geldanlagen ohne, bzw. mit geringer, Wertschwankung ein Totalverlust-Risiko nicht ausgeschlossen werden kann. Das Ausfallrisiko vermeidet man am besten durch breite Streuung in verschiedene Anlageklassen und innerhalb der Anlageklassen wiederum durch breite Streuung in verschiedene Länder/Regionen.
Zusammenfassung
- Der Unterschied zwischen Preis (Mr. Market) und Wert
- Das Wertschwankungsrisiko ist eine Frage der Zeit
- Trügerische Sicherheit geringer Wertschwankung - Schutz durch Streuung